Sustainability

Die Wesentlichkeitsanalyse

Date
13/08/2024

Die Wesentlichkeitsanalyse ist das Herzstück der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie ist ein Verfahren, um zu bewerten, welche potenziellen Nachhaltigkeitsthemen (aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance) für ein Unternehmen die wichtigsten sind. Diese Kernthemen bestimmen als Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse, welche und wie viele Aspekte das Unternehmen im Nachhaltigkeitsbericht erläutert.

Ebenso können sie als Ausgangspunkt für eine Nachhaltigkeitsstrategie oder die Priorisierung von Maßnahmen dienen. Die Wesentlichkeitsanalyse wird daher auch als Fundament der Nachhaltigkeitsstrategie und -berichterstattung bezeichnet.

Auch Unternehmen, die bereits Nachhaltigkeitsberichte erstellt haben – sei es freiwillig oder aufgrund einer Berichtspflicht –, haben die Themen für ihre Nachhaltigkeitsberichte anhand von Wesentlichkeitsanalysen bestimmt. Wie eine solche Analyse durchgeführt wird, ist in der Regel in den Standards für die Berichterstattung festgelegt. Die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung geben normalerweise auch vor, wie die Themenauswahl zu erfolgen hat.

Die CSRD und betroffene Unternehmen

Die CSRD, eine EU-Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt werden muss, verpflichtet große Unternehmen ab den Jahren 2024–2028 zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts – je nachdem, welche der folgenden Kriterien sie erfüllen:

  1. Geschäftsjahr ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der vorherigen Nachhaltigkeitsgesetzgebung, der NFRD, unterliegen (Berichterstattung im Jahr 2025 über die Daten von 2024)
     
  2. Geschäftsjahr ab dem 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD unterliegen (Berichterstattung im Jahr 2026 über die Daten von 2025). Große Unternehmen sind laut HGB solche, die mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:
  • Bilanzsumme > 25 Millionen Euro
  •  Nettoumsatzerlöse > 50 Millionen Euro
  •  Zahl der Beschäftigten im Jahresdurchschnitt > 250
  • Geschäftsjahr ab dem 1. Januar 2026 für börsennotierte KMU sowie kleinere und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen (Berichterstattung im Jahr 2027 über die Daten von 2026)

Doppelte Wesentlichkeit: Zwei Perspektiven in der Bewertung

Die CSRD verpflichtet diese Unternehmen, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß den „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS) zu veröffentlichen. Diese Standards wurden eigens für diesen Zweck entwickelt und geben vor, wie eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt werden soll. Die ESRS folgen dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“ (manchmal auch „doppelte Materialität“ genannt). Das heißt, dass in dem Verfahren zur Bestimmung der wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen zwei Perspektiven berücksichtigt werden sollen:
 

Inside-out: Zum einen soll berücksichtigt werden, wie sich die verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen auf die Umwelt oder die Gesellschaft auswirken. Diese Wechselwirkungen werden als (positive oder negative) Impacts bzw. Auswirkungen bezeichnet.
 

Outside-in: Zum anderen soll berücksichtigt werden, wie sich ökologische oder gesellschaftliche Veränderungen auf die finanzielle Performance des Unternehmens auswirken. Diese Wechselwirkungen werden als (nachhaltigkeitsbezogene) Risiken oder Chancen bezeichnet.
 

Wesentlichkeitsanalyse ist nur der erste Schritt

Für Unternehmen, die gemäß CSRD berichtspflichtig werden, ist die Wesentlichkeitsanalyse der erste inhaltliche Schritt. Das Verfahren der Wesentlichkeitsanalyse ist in den ESRS, insbesondere ESRS 1, festgelegt. Da dort nur grobe Prinzipien für die Wesentlichkeitsanalyse genannt werden, hat die EU-Kommission weitere unterstützende Dokumente veröffentlicht, etwa die Implementation Guidance 1 Materiality Assessment  und eine Zusammenstellung von Q&A. Aber auch diese Dokumente liefern nur Hinweise, was bei der Wesentlichkeitsanalyse zu berücksichtigen ist. Eine genaue Schritt-für-Schritt-Beschreibung gibt es nicht. Daher muss jedes Unternehmen zu einem gewissen Grad selbst bestimmen, wie das genaue Verfahren aussehen soll. Die Ausgestaltung der Wesentlichkeitsanalyse sollte an den Unternehmenskontext angepasst sein und das Geschäftsmodell, die Unternehmensgröße und die involvierten Stakeholder angemessen berücksichtigen.

Wesentlichkeitsanalyse in den ESRS

Neben dem bereits beschriebenen Prinzip der doppelten Wesentlichkeit geben die ESRS vor, dass das Unternehmen in seiner Wesentlichkeitsanalyse die wichtigsten mit dem Geschäftsmodell verbundenen Auswirkungen, Chancen und Risiken identifiziert – häufig wird in diesem Zusammenhang die Abkürzung IROs für Impacts, Risks and Opportunities verwendet.

Die Wesentlichkeitsanalyse soll gemäß den ESRS grob drei Schritte umfassen:

  1. Verständnis des Kontexts: Erfassen der Geschäftstätigkeiten und -beziehungen des Unternehmens sowie betroffener Stakeholder.
  2. Ermittlung der Auswirkungen: Identifizieren der tatsächlichen und potenziellen, positiven und negativen Auswirkungen durch Einbeziehung von Stakeholdern, Experten sowie wissenschaftlichen Studien.
  3. Bewertung der Wesentlichkeit: Festlegen von Schwellenwerten zur Bestimmung, welche IROs als wesentlich gewertet werden sollen.

Bewertung der wesentlichen Merkmale

Bei den Auswirkungen (Impacts) sind sowohl positive als auch negative Auswirkungen zu identifizieren. Unternehmen sollen ihre tatsächlichen negativen Auswirkungen anhand der folgenden Kriterien bewerten:

  • Ausmaß: Wie schwerwiegend sind die negativen Auswirkungen beziehungsweise wie vorteilhaft sind die positiven Auswirkungen für Mensch und Umwelt?
  • Umfang: Wie weit verbreitet sind die negativen oder positiven Auswirkungen? Bei Umweltauswirkungen kann der Umfang als das Ausmaß des Umweltschadens oder ein geografischer Umkreis verstanden werden. Im Falle von Auswirkungen auf Menschen kann der Umfang als die Anzahl der negativ betroffenen Menschen verstanden werden
  • Umkehrbarkeit: Ob und inwieweit können die negativen Auswirkungen behoben werden? Das heißt, kann der frühere Zustand der Umwelt oder der betroffenen Menschen wiederhergestellt werden?

Jedes der drei Merkmale kann dazu führen, dass ein IRO als wesentlich zu bewerten ist. Bei positiven Auswirkungen entfällt Kriterium (c). Bei nur wahrscheinlichen Auswirkungen sollen Unternehmen im Gegensatz zu tatsächlichen Auswirkungen auch deren Wahrscheinlichkeit einschätzen und in die Bewertung einbeziehen.
 

Einbeziehung der Stakeholder

Bei der Bewertung soll das Unternehmen „geeignete quantitative und qualitative“ Schwellenwerte nutzen, um die wesentlichen Themen von den unwesentlichen zu unterscheiden. Darüber hinaus betonen die ESRS, wie wichtig es ist, Stakeholder in den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse miteinzubeziehen. Wie genau dies zu erfolgen hat, legen die ESRS nicht dezidiert fest.

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Marc Lambauer Director Marketing & Sales

 

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