Im Juni 2025 soll der European Accessibility Act (EAA) in Kraft treten und Barrieren beim Besuchen von Websites für Menschen mit Beeinträchtigungen abbauen. Während sich vorherige Regelungen zumeist nur an öffentliche Stellen richteten, nimmt der EAA ganz gezielt Unternehmen in die Pflicht, ihre Onlinepräsenzen barrierefrei aufzubauen. Wen das betrifft, was man dabei beachten muss und ob man die Anforderungen erfüllt, kann RYZE Digital erklären.
Für Menschen mit Beeinträchtigungen können Websites schwer zu bedienen sein: Fehlende Alternativtexte für Bilder, umständliches Design, unverständliche Texte, sich automatisch abspielende Videos oder unzureichende Farbkontraste können das Besuchen von Websites unnötig erschweren. Mit dem neuen European Accessibility Act sollen nun Unternehmen in die Pflicht genommen werden, auf diese Umstände zu achten. Empfehlungen des World Wide Web Consortiums (W3C), die in den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) zusammengefasst sind, werden damit verbindlich. In Deutschland wird das über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz geregelt. Ab Juni nächsten Jahres müssen viele Unternehmen daher höhere Anforderungen bezüglich Barrierefreiheit erfüllen.
Unternehmen sollten erkennen, dass dies keine unnötige Reglementierung ist, sondern eine Chance, ihre Websites auf den neusten Stand zu bringen. Denn allein in Deutschland gibt es fast acht Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen. Davon sind mehr als drei Viertel über 55 Jahre alt. Beeinträchtigungen beim Nutzen von Websites ist damit nicht nur ein Thema von Menschen mit Behinderungen, sondern erleichtert auch älteren Userinnen und Usern den Umgang mit Websites. Hinzu kommen Personen, die zeitweise beeinträchtigt sind, zum Beispiel durch Unfälle, kurzfristige technische Schwierigkeiten oder ihre Umwelt.
Viele Kriterien, die an barrierearme oder barrierefreie Seiten gestellt werden, bringen Vorteile für die Suchmaschinenplatzierung sowie die Verweildauer von Websitebesucherinnen und -besuchern und sorgen insgesamt für eine bessere User Experience. Diese wiederum führt bei Onlineshops beispielsweise zu einer höheren Conversion Rate. Barrierefreie Seiten sind für Unternehmen also mehr als ein Aushängeschild, dass Inklusion ernst genommen wird: Sie unterstützen aktiv ihre Geschäftsmodelle. Einfach zu lesende Texte, gute Kontraste und Videos mit Untertiteln sind daher nicht nur ein Angebot an Menschen mit Behinderungen – sie kommen allen zugute und sollten daher ernst genommen werden.
Welche Aspekte für die Barrierefreiheit einer Website wichtig sind
Grundlage für eine Bewertung der Barrierefreiheit sind im Endeffekt Empfehlungen der WCAG, die mittlerweile für die öffentliche Verwaltung in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) und dem European Accessibility Act aufgegangen sind. Daraus wurde das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das nächstes Jahr in Kraft tritt. Das Gesetz kann für Websites, Apps, Betriebssysteme, Selbstbedienungsterminals, E-Book-Lesegeräte und andere elektronisch unterstützte Prozesse angewandt werden – für weit mehr also als nur Unternehmenswebsites.
Die Barrierefreiheit selbst wird aktuell anhand von 86 Kriterien gemessen, die sich auf vier Bereiche aufteilen:
Was bedeutet das konkret für Unternehmen? Grundsätzlich soll Userinnen und Usern die Möglichkeit gegeben werden, die Informationen auf der Website möglichst einfach zu erfassen: Lesbarkeit und Verständlichkeit der Texte, Alt-Tags bei Bildern, vorlesbare Texte oder Textalternativen, Untertitel bei Videos, adaptives Design, veränderbare Textgröße und die generelle Struktur der Website spielen dabei unter anderem maßgebliche Rollen.
Eine adaptive und flexible Website kann zahlreiche Optionen für verschiedene Ein- und Ausgabegeräte bieten und per Screenreader ausgelesen werden, oder Inhalte können so aufbereitet sein, dass auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Informationen wahrnehmen können. Ebenso können Informationen in Gebärdensprache oder in Leichter Sprache angeboten werden, wie es immer mehr Websites der öffentlichen Verwaltung tun.
Je nachdem, wie viele der Kriterien erfüllt sind, können Websites das Rating A, AA oder AAA erhalten, wobei Letzteres die höchste Stufe ist. Die Anforderungen gelten in der Regel jedoch nur als erfüllt, wenn die komplette Website barrierefrei ist und nicht nur einzelne Seiten. Das Gleiche gilt für mobile Anwendungen, also Apps.
Zwar ist das Niveau AAA in der Praxis fast nicht zu erreichen, aber Unternehmen sollten sich vornehmen, ihre Websites zumindest für das AA-Level zu optimieren. Dafür müssen mindestens 50 Kriterien erfüllt sein.
Welche Kriterien wie genau gewichtet sind, welche Anforderungen technischer und welche inhaltlicher Natur sind und genauere Bestimmungen der Kategorien, können Sie in unserem Whitepaper nachlesen. Dort sind alle Informationen an einem Ort gesammelt.
Website-Audit Barrierefreiheit
In unserem Audit zur Barrierefreiheit erfahren Sie, inwiefern Ihre Website die Inhalte des neuen Gesetzes zur Barrierefreiheit bereits einhält und was Sie ggf. noch tun müssen, um die Vorschriften zu erfüllen. Wir kennen das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die zugrunde liegende Barrierefreie- Informationstechnik-Verordnung (BITV) und helfen Ihnen, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.
Für wen gilt die neue Bestimmung zur Barrierefreiheit?
Mit der neuen Bestimmung werden zum 28. Juni 2025 alle privatwirtschaftlichen Anbieter, die Produkte und Dienstleistungen anbieten, dazu verpflichtet, barrierefreie Angebote zur Verfügung zu stellen. Das sind unter anderem Telefon- und Messengerdienste, auf Mobilgeräten angebotene Dienste wie Apps, E-Books, Mobilitätsdienstleistungen mit Verkauf von Fahrkarten, Bankdienstleistungen und im Wesentlichen auch der gesamte Onlinehandel. Das betrifft aber nicht nur Amazon, Zalando und Co., sondern jede Art von „elektronischem Geschäftsverkehr“, wie es im Gesetzestext heißt. Falls auf einer Website also materielle oder immaterielle Produkte oder Services angeboten werden, muss diese barrierefrei sein. Das betrifft die Desktopversion ebenso wie Apps auf dem Smartphone.
Dafür sehen die aktuellen Regelungen nur eine Auslegung der Gesetze auf B2C-Angebote vor, B2B bleibt vorerst außen vor. Dies kann sich aber in naher Zukunft ändern, denn schließlich arbeiten Menschen mit Behinderungen auch in Unternehmen und müssen im Rahmen ihrer Arbeit auf Websites zugreifen können. Außerdem zählt die B2B-Ausnahme nur, wenn Unternehmen nachweisen können, dass sie sich tatsächlich nur an Geschäftskunden richten.
Reine Informationsangebote sind vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ausgenommen. Auch Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und höchstens zwei Millionen Euro Jahresumsatz sind von dem Gesetz ausgenommen, es sei denn sie bringen Produkte in Umlauf.
Aktualisierung oder neue Website: Was lohnt sich?
Unternehmenswebsites können aus Hunderten bis Tausenden Unterseiten bestehen. Müssen nun alle einzeln auf Barrierefreiheit geprüft werden? Meistens zum Glück nicht. Denn wenn eine Website aus standardisierten Modulen besteht, müssen nur die Module selbst barrierefrei sein. Dadurch kann viel Arbeit wegfallen. Zudem gibt es für manche Aspekte, wie beispielsweise die Qualität des HTML-Codes oder Kontraste, automatisierte Tools, die das Überprüfen einfach machen.
Trotzdem sind die Änderungen, die für eine barrierefreie oder barrierearme Website notwendig sind, substanziell. Denn zum Beispiel die Steuerung per Tastatur ist ein grundlegender Designaspekt, der oft nicht einfach nachträglich eingebaut werden kann. Für den Umstieg zu einer barrierefreien Website braucht es daher einen durchdachten Fahrplan.
In vier Schritten können Unternehmen einen Maßnahmenplan für Barrierefreiheit erstellen.
Zuerst sollte die Relevanz geprüft werden. Welche Abläufe auf der Website sind überhaupt für das neue Gesetz relevant, also Teil eines Prozesses, der dem elektronischen Geschäftsverkehr zuzuordnen ist? Wo könnte es Risiken geben? Daraus entsteht eine Gesamtübersicht der relevanten Abläufe.
Danach muss der Test-Scope definiert werden. Hierbei wird festgelegt, welche Seitentypen und -module stellvertretend für die oben definierten Abläufe stehen, also welche Unterseiten betroffen sind und überprüft werden müssen. Die Prüfung der Website auf die Erfüllung der Anforderungen kann sehr aufwendig werden, da die Tests nur zum Teil automatisiert durchgeführt werden können. Vor allem die Tastatursteuerung und die Screenreader-Kompatibilität können nur durch manuelle Tests richtig bewertet werden. Eine Eingrenzung des Test-Scopes, insbesondere im Hinblick auf mehrfach verwendete Seitenmodule, ist daher entscheidend, um den Aufwand für den ersten Prüfschritt im Rahmen zu halten.
In einem anschließenden Audit werden dann die Seiten überprüft. Ein Testprotokoll mit empfohlenen Maßnahmen rundet den Test ab und gibt eine Übersicht darüber, was zu tun ist. Hier stellt sich dann für Unternehmen die Frage, ob sich die Überarbeitung der Website überhaupt lohnt – oder ein Relaunch nicht die bessere Alternative ist. Denn eine komplett neu aufgesetzte Site erlaubt es, viele Baustellen auf einmal anzugehen und das technische Grundgerüst des Webauftritts sicher für die Zukunft zu machen.
Beratung zu Code und Content: barrierefrei mit RYZE Digital
Für unsere Kunden bieten wir eine umfangreiche Analyse der gesamten Website an, um verbesserungswürdige Stellen sowohl im Code als auch im Content zu finden. Einige Kriterien brauchen einen Blick unter die Haube, um adäquat getestet werden zu können. Bei Inhalten können wir Texte, Bilder und Videos analysieren, Verbesserungspotenzial erkennen und umsetzen.
Anhand dieser Analyse beraten wir Sie und Ihr Unternehmen sowohl technisch als auch inhaltlich. Wir erstellen einen Report, in dem 50 Kriterien für eine barrierefreie Website mit dem Level AA getestet werden. Wir fassen das in einem Scoring Ihrer aktuellen Website zusammen und erstellen eine Übersicht der festgestellten und zu behebenden Barrieren je Kriterium, um das Level AA zu erreichen.
Tipp: Alle wichtigen Infos zum Thema "Barrierefreie Websites" haben wir auch in einem Webinar verständlich und übersichtlich aufbereitet. Hier können Sie sich die Aufzeichnung des Webinars anschauen.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist die ideale Gelegenheit, eine Website zu modernisieren, damit alle Menschen Ihre Dienstleistungen und Produkte besser nutzen können. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf, damit wir Ihre Fragen klären und sie persönlich sowie individuell beraten können.
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